Vereinsgeschichte 1952 – 1962
Aus kleinen Anfängen heraus entwickelte sich bei vielen Horchheimer Karnevalsfreunden der Wunsch nach einem eigenen Karnevalsverein. lm August 1952 versammelte der Kaufmann Klaus Stein in der Gaststätte Ries interessierte Horchheimer Bürger um sich. Es kam zur Gründung des Horchheimer Carneval-Vereins Rot-Weiß (H.C.V.) . lm gleichen Jahr hatte sich in Horchheim eine Möhnenschar gebildet, die in den HCV integrierte. Aus der Gründungsversammlung ging folgender Vorstand hervor:
1. Vorsitzender: Hanny Lahnstein
2. Vorsitzender: Klaus Stein
Geschäftsführer und Präsident des Elferrates: Hans Kalkofen
Organisationsleiter: Fritz Rees.
lm Laufe des Jahres nahm Franz Meurer das Amt des Geschäftsführers an.
Unter der erfahrenen Leitung des Sitzungspräsidenten Hans Kalkofen veranstaltete der HCV in der Karnevalssession 1953 gutbesuchte Kappensitzungen Im Turnerheim. Damals steckte das Massenmedium Fernsehen noch in den Kinderschuhen. Das närrische Horchheimer Publikum nahm regen Anteil am Karnevalsgeschehen des HCV. Die ersten beiden Kappensitzungen 1953 mußten wegen des enormen Zuspruchs wiederholt werden. Sogar der Rosenmontag, an dem sonstwo der Karneval ausschließlich „auf der Straße“ abläuft, eignete sich in Horchheim zum Abhalten von Kappensitzungen. Vornehmlich die „große Fremdensitzung”, auf der eine Vielzahl von Büttenrednern befreundeter Vereine auftrat, wurde auf den Rosenmontag gelegt. Präsident Kalkofen nahm bereits im ersten Jahr des Bestehens Fühlung auf mit allen größeren Koblenzer Karnevalsvereinen.
Horchheimer Möhnen fuhren 1953 in ihren blauen Karnevalsroben zur Schlüsselübergabe an den Prinzen ins Rathaus nach Koblenz. Besondere Verdienste bei den Karnevalserfolgen der Möhnen erwarb sich der Organisationsleiter Fritz Rees. Er erhielt in diesen Tagen den Titel des Möhnerichs. In den Jahren 1954 bis 1956 jubelten die bei originellen Rosenmontagszügen, die von der Möhnenburg „Dörrstein“ in der Heddesdorffstraße ausgingen. Obermöhn Nettchen Dörr und Vizemöhn Julchen Rech wetteiferten in vielbeachteten Büttenvorträgen um die Gunst der Zuhörer. Die Horchheimer Möhnenschar war von nun an eine der stärksten Stützen des Vereins.
Stolze Leistungen verbrachten das bis heute erhaltene und 1955 ins Leben gerufene Ballett und das unter Leitung von Ludwig Heß stehende Doppelquartett.
Der Idealismus kannte keine Grenzen. Rosenmontagswagen und Bühnenaufbau für den Elferrat entstanden in der Werkstatt des 1. Vorsitzenden Hanny Lahnstein. Hier wunden sogar, in Ermangelung kostspieligen Metalls, die Orden, ja sogar die Kerzenleuchter für den Elferratstisch aus Holz gesägt. Die Phantasie für immer neue Bühnenentwürfe, von großen gebronzten Lettern bis zu reflektierenden Splegelwürfeln, hatte freien Lauf. Die Zeit, in der die Horchheimer den durch den Krieg lange entbehrten Frohsinn nachholten, wird den damals aktiven Karnevalisten immer in Erinnerung bleiben. Als Rechtfertigung für die sich oft bis in die frühen Morgenstunden ausdehnenden feuchtfröhlichen Vorbereitungen galt, der wartenden Gattin gegenüber der Ausspruch: „Anständige Leute gehen im Hellen heim.“
Für die Karnevalssession 1957 kam Hans Kalkofen auf den Gedanken, ein von der Horchheimer Geschäftswelt durch Aufgabe von Inseraten unterstütztes Programm- und Liederheft herauszugeben. Dieses Heft erscheint seither Jahr für Jahr als „Karnevalsheft des HCV“ und später als „HCV-Sessionsheft“. Karneval 1957 gestaltete sich für den HCV zum Erfolgsjahr. Fünf gut besuchte Sitzungen und ein großer Maskenball gingen uber die Horchheimer Karnevalsbühne. Obermöhne war 1957 Frau Tilly Rees, die die aus Gesundheitsgründen zurückgetretene Frau Nettchen Dörr ablöste.
Hans Kalkofen, der schlagfertige und durch sein durchdringendes Lachen so manchem jungen Büttenredner aus der „Verlegenheit“ helfende Sitzungspräsident, konnte bis 1958 jedes Jahr bis zu 6 gutbesuchte Kappensitzungen leiten. Damals lachten die Horchheimer noch über den verulkten Lokalkolorit, der heutzutage in dieser Art gar nicht mehr zu überschauen ist.
Die Möhnen veranstalteten am Schwerdonnerstag im Kolpinghaus, mit eigenem Elferrat, zusätzliche Kappensitzungen. Die Besucher des vollbesetzten Saales erlebten den Sitzungspräsidenten „Hannes“, der sich, der Weiblichkeit anpassend, In rotkarriertem Rock präsentierte. Aus dieser Zeit stammen viele Einzelanekdoten über die aktiven Teilnehmerinnen, die vom „Sprung aus dem Fenster“ bis zur „Heimfahrt nicht mehr gehfähiger Möhnen mit dem Schubkarren“ überliefert sind. Als großer Freund des Horchheimer Karnevals galt Prälat Jupp Schneider, der jedes Jahr auf mindestens einer Sitzung des HCV vertreten war. Die Horchheimer warteten geradezu auf seinen „Auftritt“, bei dem er seine, mit reichlichem Witz versehenen Jugenderlebnisse zum besten gab. Mancher ältere Einwohner erinnerte sich dabei an das in früherer Zeit von der Landwirtschaft geprägte Horchheim‚ wenn er vom Heumachen am Schafstall erzählte, bei dem die Bauern an einem Freitag vom Gewitter überrascht wurden und nur deshalb Angst vor dem Blitz hatten, weil einer von ihnen „nur ein bisschen Wurst” aß. „Prälat Jupp“ verhehlte auch nicht, dass er doch ein „Schneider“ sei, wenn er durch die Lobrede des Lobrede des Präsidenten allzulange auf den Ehrentrunk warten musste.
Großen Beitrag zum Erfolg der Sitzungen leisteten Peter und Jule Ley, Aktive des HCV. Mit spitzer Zunge konnte auch Simon Breitbach als „Sexbombe“ gesammelte Horchheimer Begebenheiten schildern. Unvergessen über die Grenzen von Koblenz hinaus bleiben die Auftritte eines Karl Wörsdorfer als „Itzeblitz“, eines Werner Wiemers als „Andun“ und eines Ernst Geißler als „Närrischer Politiker“. Mit diesen erfolgreichen Karnevalisten, von befreundeten Stimmungskanonen wie Hans Rittel, Toni Dillmann und vor allem Köwes Goldberg als „Neulich“, dessen unerschöpfliche „Lebensweisheiten“ beim närrischen Publikum wahre Lachsalven hervorriefen, unterstützt, rückte der HCV in den Vordergrund des Koblenzer Karnevalgeschehens. Zu den schönsten Erinnerungen des HCV zählen die Vorträge des unvergessenen Koblenzer Ex-Prinzen und Volkskomikers Jupp Dommermuth, dem wir an dieser Stelle ein herzliches Gedenken widmen wollen.
„Ons brauch mer net ze ketzele, mIr lache och esu“, das war der Leitspruch des als Horchheimer Original auftretenden Schreinermeisters Johann Seyl. Manchen Stachel in die hohe Politik stach mit perfektem Reim Ernst Geisler. Toni Dillmann, Urnarr aus dem .‚Dahl‘,
zog in Horchheim alle Register seines Könnens. Und wenn dann Karl Wörsdörfer als „Oberst Itzeblitz“ nach seinen kurzgezielten und stechenden Pointen mit blankem Degen im Stechschritt vor dem Elferrat defilierte, kannte die Begeisterung für eine große karnevalistische Leistung keine Grenzen. Nach der Devise „Lachen ist gesund“, gab Möhnenmutter Bäbbchen Körber bis ins hohe Alter von 78 Jahren Jahr für Jahr ihr Debüt in der Bütt. Besonderen Beifall fanden auch die Darbietungen der aktiven Möhnengruppe unter der Regie von Ernst Müller. Heimweh nach seiner Kölner Heimat bekam der dem Horchheimer Karneval sehr zugetane Professor und damalige Justizminister Adolf Süsterhenn, wenn ihm zu Ehren Ernst Geisler den Refrain sang „Ich mööch zo Fooss noh Kölle jonn.“
Dass derjenige, der sich einst dem Karneval verschrieb, so schnell nicht wieder davon Ioskommt, beweisen die damaligen Auftritte der späteren Sitzungspräsidenten Werner Wiemers in der Maske des „Andun”, Herbert Heil als „Protokollarius“ und Herbert Weimert als „Määnzer“.
Im Jahre 1958 stand ein Programm, in dem unser Doppelquartett, unter Leitung von Ludwig Heß und unser Ballett, eingeübt von Ballettmeisterin Frau Ruth Stützer-Reinhardt, sich die ersten großen Lorbeeren um den HCV erwarben, Als besonders originell soll hier auch der Auftritt unserer Möhnen, unter Regie von Ernst Müller, gewürdigt werden. Von Ende Januar bis Mitte Februar veranstaltete der HCV, unter tatkräftigem Einsatz aller Aktiven, 4 Sitzungen. „Einmal im Jahr vergeß‘ ich meine Sorgen“, ein Schlager von Öwes Goldberg, klingt uns erinnernd in den Ohren. Das Amt der Obermöhn hatte 1958 Helene Otten Inne.
Nach der Karneval-Session 1958 beschIoss der Vorstand, den Verein in das Vereinsregister gerichtlich eintragen zu lassen. Nach ausgearbeiteter und genehmigter neuer Satzung konnte der HCV von 1959 an die Bezeichnung „e.V.“ tragen.
Der Ausklang des Jahres 1958 brachte fur den HCV den schmerzlichen Verlust seines beliebten Präsidenten Hans Kalkofen. Sein Hinscheiden hinterließ in unseren Reihen eine schwer zu schließende Lücke. Die Arbeit für 1959 stand unmittelbar bevor. Es galt, das von unserem verstorbenen Präsidenten begonnene Werk fortzusetzen. In einer Vorstandsitzung‚ im Dezember 1958‚ erhielt Werner Wiemers die meisten Stimmen der Wahl zum neuen Präsidenten und stand vor der fast unlösbaren Aufgabe, dem HCV das unter seinem Präsidenten Kalkofen erworbene Ansehen zu erhalten. Ein einmaliges Programm wartete zum Start in die Session; beginnend mit der großen Eröffnungssitzung am 25. Januar 1959 im Turnerheim. Das närrische Publikum nahm den neuen Präsidenten, unterstützt von allen Aktiven, stürmisch auf, wie überhaupt die ganze erste Sitzung einen ungeahnt guten Erfolg hatte. Der neue Präsident meisterte sein Amt vortrefflich, so dass man über den Verlauf der Eröffnungssitzung, der folgenden Prunksitzung und der großen Fremdensitzung überaus zufrieden sein kannte. Ballett und Doppelquartett fanden durch Vorträge in gekannter Manier besonderen Ankiang. Die Möhnen wählten 1959 aus ihren Reihen die äußerst rührige, und dem Vereinsgeschehen besonders zugetane Frau Gretei Lahnstein zu ihrer Obermöhne.
Wegen der Zugehörigkeit von Werner Wiemers zum Elferrat der Karnevalsgesellschaft (Funken) Rot-Weiß Koblenz knüpfte der HCV bald enge freundschaftliche Bande zu diesem großen Bruderverein. Hervorragende Büttenredner wie Alfred Ries, Karl Rosenbaum, Hans Nievenheim und vor allem Heinz Grindel, unterstützten den HCV von nun an bei den Fremdensitzungen. Die Gastredner in der Bütt merkten bald an ihren Erfolgen, dass sie In Horchheim ein äußerst dankbares Narrenpublikum vor sich hatten. Die Sitzungen dehnten sich aus bis spät in die Nacht, ohne an Niveau nachzulassen.
Von 1960 – 1962 vervollkommnete der HCV seine im ganzen Umkreis einmalige karnevalistische Sitzungsgestaltung. Trotz abendfüllender Fernsehsendungen erlebten wir in diesen Jahren sehr gut besuchte Sitzungen. Der HCV, unter seinem allseits geschätzten Vorsitzenden Hanni Lahnstein, gewann Freunde und Gönner in allen Bevölkerungsschichten. Der kommunalen Haltung und Pflege ortsgebundener Urwüchsigkeit des Präsidenten Werner Wiemers entspricht die Einführung des karnevalistischen Schlachtrufes „Ahle Hau!“, der an den gleichnamigen Distrikt im Horchheimer Wald erinnert.
Ein großer Verlust für den Horchheimer Karneval war der Heimgang des beliebten und tatkräftigen 1. Vorsitzenden Hanny Lahnstein im April 1962.
Die Wahl des vereinserfahrenen Geschäftsführers Fritz Rees zum 1. Vorsitzenden im Mai 1962 entsprach dem Wunsch aller Aktiven. Mit ihm gilt es nun, die kommende Karnevalsession zu bestehen und weiteren Ruhm an die Fahnen des HCV zu heften, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, rheinisches Brauchtum zu pflegen und seinen Bürgern und Gästen echten Volkskarneval zu spenden.
(Herbert Heil, Sessionshefte 1963/1974)